HiStory Hotels – ein neues Konzept von Hotellerie für das Erleben von Residenzkultur in Thüringen

Autoren: Judith Rüber und Jan Kobel
Foto: Meisterzimmer, Leipzig / © jankobel.de

Dies ist das Manuskript eines Impuls-Vortrages, den Jan Kobel am 30.11.2023 im Kontor in Erfurt auf einer Veranstaltung des TMIL (Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft), der LEG Thüringen und der IHK Erfurt zum Thema „Innenstädte mit Zukunft“ gegeben hat.

Dieser Impulsvortrag fußt auf dem Artikel Das Ziel heißt Zuzug, der Weg Tourismus, den wir im März 2021 in seiner Kurzversion hier und in seiner ausführlichen Version hier veröffentlicht haben.

DIE FÜNF THESEN:

A.
Innenstadtentwicklung braucht Hilfe von aussen: Tourismus
B.
Thüringen ist für Menschen mit einem gewissen Bildungsniveau Sehnsuchtsland – aber es wird nicht so wahrgenommen und nicht kommuniziert.
C.
Mit aussergewöhnlichen Hotels kann man diese Menschen ins Land locken
D.
Diese Hotels können nur in historischen Gebäuden entstehen, unter Bewahrung des baulichen Bestandes.
E.
Dieses Konzept einer neuen authentischen Hotellerie braucht Initiative, Koordinierung und Support durch die Öffentliche Hand.


A. Innenstadtentwicklung braucht Hilfe von außen: Tourismus

Die fortgesetzte modernistische Zerstörung der Aufenthaltsqualitäten unserer Zentren und die Veränderungen des Konsumverhaltens in einer digitalisierten Welt machen es dem klassischen Einzelhandel in den Innenstädten immer schwerer, sich zu behaupten. Nur durch die Konzentration auf eine Angebotspalette von Produkten, Dienstleistungen und Erlebnisräumen, die digital nicht zu ersetzen sind, kann die Spirale der Verödung der Innenstädte unterbrochen werden.

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Venezianische Maskerade 2021

Der deutsche Pavillon in den Giardini. Die Negation einer Ausstellung – als Ausstellung.

Die Biennale Architettura in Venedig gilt als die bedeutendste internationale Visionenschau für Architektur und Städtebau. Angesichts der scheinbar exponentiell wachsenden Herausforderungen könnte man vermuten, dass Ziele und Erwartungen hoch gesteckt sind.

Unsere Städte verlieren seit Jahrzehnten an Lebensqualität, die ländlichen Regionen kontinuierlich Menschen. Die Bauwirtschaft ist für ein Drittel der weltweiten CO2-Emmision verantwortlich, Bauen im Bestand, Umnutzung und urbane Verdichtung sind zweifelsfrei die Themen der Zukunft. Viele Städte suchen Wege, um das Auto aus den Innenstädten herauszubekommen.

Die Antworten, die in Venedig auf diese Herausforderungen gegeben werden, erscheinen allerdings dürftig – soweit ein langer Tag im Arsenale und in den Giardini überhaupt einen repräsentativen Einblick erlaubt. Um die gesamte Architektur-Biennale zu überblicken, inkl. der vielen über Stadt und Lagune verteilten Sonderinitiativen, ist ein mehrtägiger Aufenthalt notwendig.

Die Biennale di Architettura findet, wie die Kunstbiennale, in den vermutlich ältesten Industriekulturen der Welt statt. Den Werftanlagen Venedigs aus dem 15. Jahrhundert. Mehr braucht es nicht, um immer wieder zu kommen.

Venedig im Sommer 2021, frisch wiedereröffnet nach harten Lockdowns, ohne asiatische und amerikanische Touristen, ist eine Verlockung, der Venedigliebhaber nicht widerstehen können. Eine wunderschöne Stadt, in der Touristen und Einheimische sich scheinbar die Waage halten, in der das normale Leben, das ja allen Gerüchten zum Trotz nie aufgehört hat, wieder sichtbar wird. Dazu eine Ausstellung unter dem vielversprechendem Titel „How will we live together?“, kuratiert vom libanesisch-amerikanischen Architekten Hashim Sarkis:

„In einer Welt des zunehmenden ökonomischen Ungleichgewichts, die sich auch politisch immer mehr spaltet, rufen wir die Teilnehmer auf, sich Räume auszudenken, in denen wir wohlwollend miteinander leben können. Die Betonung liegt auf miteinander.“  (Hashim Sarkis)

Bei aller moralischer Unanfechtbarkeit dieses „Aufrufs“ wünschte man sich freilich etwas mehr analytisches Denken als Basis einer Ausstellung, die die Architektur der Zukunft zu bestimmen sucht. Sich „Räume auszudenken“ ist schon sehr idealistisch in dem Sinne, dass die Frage nach den Gründen des „ökonomischen Ungleichgewichts“ gar nicht gestellt wird. Von „carbon foodprint“, Bauen im Bestand und Flächenverbrauch, Sondermüllproduktion oder städteplanerischen Renaissancen ganz zu schweigen. Von all dem aber kaum ein Wort.

Noch scheint alles gut in Venedig. Architektur, städtische Strukturen, Denkmalpflege, Wandgestaltungen. Eigentlich der perfekte Ort für eine Architekturausstellung.

Die Ausstellung selbst macht schnell klar: Sie will auf die drängenden Fragen des Bauens keine Antworten geben, da sie diese schlicht und einfach ignoriert. Hashim Sarkis und seine Co-Kuratoren sind dem Denken des 20. Jahrhunderts verhaftet, einer Moderne, die dem Kult des genialen Architekten huldigt. In dieser Welt brilliert der Planer durch aufsehenerregende Einfälle, deren Bezug auf die drängenden Fragen der Menschheit durch freies Assoziieren auf den sie begleitenden Texttafeln irgendwie nahegelegt wird.

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Der Dadaismus des Blechschadens

Die große Retrospektive des Fotografen Arnold Odermatt in der Kunsthalle Erfurt

Arnold Odermatt wurde 1925 im Schweizer Kanton Nidwalden geboren und arbeitete zeit seines Berufslebens als Verkehrspolizist. Die seiner Profession zugehörige Aufgabe der Dokumentation von Unfällen nahm Odermatt allerdings so ernst, dass seine Bilder 2001 auf der Biennale in Venedig ausgestellt wurden. Seitdem diskutiert die Kunstwelt von Winterthur bis Chicago, wie es wohl sein könne, dass ein Polizist in der Ausübung seines Amtes Kunst schafft, obwohl er dies – nach eigener Aussage – gar nicht beabsichtigt habe.

© Urs Odermatt / Windisch
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Erzgebirge? Chemnitz?

Es ist wie immer alles anders als wir denken

// Mit dem Entdecken des eigenen Landes, im nahen wie im fernen, stirbt meist nicht nur ein Haufen dummer Vorurteile. Das Erkunden fremder Regionen und das Erspüren ihrer Unterschiede dient auch dem: zu begreifen, wie sehr wir alle bis heute durch die Erfahrungen unserer Vorfahren geprägt sind. Das kann ziemlich spannend sein. Das Erzgebirge, eine der dynamischsten Regionen des Ostens, war uns soeben erst ein besonders gutes Beispiel für beides.

Titelbild: Weihnachtsschmuck à la Erzgebirge, gesehen in Stollberg

Ich weiß, wovon ich rede. Ich komme ursprünglich aus München, einer Stadt, die sich selbst natürlich für den Mittelpunkt der Welt hält, und von der aus man gerne nach Süden schaut, gelegentlich nach Norden oder Westen, ganz selten aber in den Osten. Wer in München erzählt, er fahre ins Erzgebirge, zum Beispiel nach Chemnitz und nach Schneeberg, um dort Urlaub zu machen, gut zu essen und Ausstellungen zu besuchen, gilt als Scherzkeks. Erzgebirge?! Chemnitz?! Hallo?!

Nein, dieser Artikel soll kein Wessi-bashing werden, und auch kein Schönreden einer Region, in der die völkischen Angstmacher für Deutschland an die 30 Prozent erzielen.

Es geht darum, anhand eines kleinen 36-Stunden-Ausflugs, der uns stark beeindruckt hat, exemplarisch nachzuvollziehen, warum der Osten Deutschlands immer wieder und überall ein vor Überraschungen überquellendes Land ist. In diesem Fall das südwestliche Sachsen.

Wunderschön: Schneeberg vom Turm der Kirche St. Wolfgang gesehen
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Die Bachs, die Unstrut, das Welterbe und ich

// Wie ich auf einer Fastenwanderung durch die Fremde im eigenen Land nicht mehr zu entscheiden wußte, ob ich über den spürbaren Unwillen der Tourismusverantwortlichen, das Land aus der Perspektive des zeitgenössischen Reisenden zu betrachten, weinen oder glücklich sein sollte, und, während ich noch darüber nachsann, wie schön es ist, niemandem zu begegnen, mitten im 17. Jahrhundert landete und eine verwegene Idee von mir Besitz ergriff.

Die Burg Wendelstein beim Memleben. Keine Wegelagerer weit und breit

Von Erfurt unsere Arnstädter Gera hinunter nach Norden, durch das Erfurter Becken bis Sömmerda, sodann an der Unstrut entlang Richtung Naumburg, eine Woche hindurch versorgt nur mit Tee, klarer Gemüsebrühe und Wasser, so war es geplant. Aufgrund der großen Hitze schrumpfte die Reichweite zwar bis nach Laucha, dennoch hatte ich danach einen klaren, keineswegs nüchternen Blick auf meine inzwischen schon nicht mehr so neue Heimat. Schuld daran waren schier endlose Weizenfelder, drei Schlösser und ein Buch.

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Mehr Licht und Vernetzung – auch für die Thüringer Industriekultur!

Das TRAFO in Jena. Hier kurbelt die Industriekultur.

Die Kleinstaaten haben Deutschland zum gebildetsten Lande der Welt gemacht. Jetzt aber sind sie nicht mehr möglich und müssen großen politischen Nothwendigkeiten weichen.
Wilhelm von Kügelgen, 1865

Dabei kann es nicht nur um die – rückblickende – museale Aufarbeitung und Präsentation dieser Industriegeschichte gehen. Es muss genauso darum gehen,  Industriekulturen an den Originalschauplätzen erlebbar und auffindbar zu machen und in neue Nutzungen zu bringen.

Referat vor dem Städtenetz SEHN in Bad Langensalza
vom 27. Juni 2018 / von Jan Kobel

Wer sich in Thüringen für Industriekultur oder für Projekte zur Umnutzung verfallender Industriearchitekturen interessiert, wird feststellen: In allen Städten und Winkeln des Landes entstehen nach und nach Initiativen, die versuchen, das INDUSTRIELLE ERBE zu bewahren oder durch Kunst und Musik, Büros und Werkstädten, Co-Working-Spaces oder Ladengeschäfte in einst industriell genutzte Räume wieder Leben zu bringen. Er wird aber auch feststellen: meist wissen diese nichts oder wenig voneinander, eine Kooperation findet kaum statt, und vor allem sind diese Projekte für Interessierte schwer aufzufinden. Mehr Licht und Vernetzung – auch für die Thüringer Industriekultur! weiterlesen

Was bleibt ist die Kunst.
Kunst am Bau der DDR.
40 Fotografien von Martin Maleschka


Willi Neubert, Halle Neustadt 1966, Foto: Martin Maleschka
Ausstellungseröffnung am 05. Juni 2018 um 18 Uhr
Terrassenwohnanlage Lohmühlenweg 31 / 99310 Arnstadt
Geöffnet Mo-Sa von 10 bis 16 Uhr nach telefonischer Anmeldung
unter 03628 61040

Martin Maleschka wurde 1982 in Eisenhüttenstadt geboren und studierte Architektur an der TU Cottbus. Er ist alt genug, um mit den Plattenbauten der DDR und ihren Fassadengestaltungen Kindheits-Erinnerungen zu verbinden, und zugleich jung genug, um der DDR- und Nachwende-Geschichte unvoreingenommen und distanziert begegnen zu können. Diese Mischung aus Distanz und Zuneigung prägt sein Werk. Was bleibt ist die Kunst.
Kunst am Bau der DDR.
40 Fotografien von Martin Maleschka
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Die Thüringer Residenzstädte und ihre Hidden ChampionsNeue Publikation über die Arnstädter Wunderkammer

BQ1A9880Es ist ein neues Buch erschienen über das Arnstädter Schlossmuseum und seine Sammlungen, in einer kleinen Auflage in einer kleinen Edition, welches aber gerade deshalb umso mehr Lob verdient für die herausragende Qualität von Ausstattung, Text, Fotografie und Druck. Die Thüringer Residenzstädte und ihre Hidden ChampionsNeue Publikation über die Arnstädter Wunderkammer weiterlesen

Die neuen Chancen der Provinz // Viele kleine Städte haben die perfekte hardware, aber sie wissen es nicht

Provinz im heutigen deutschen Sprachgebrauch ist ein negativer Begriff – im logischen Sinne: Wer Provinz denkt, denkt automatisch das andere mit: Metropole. Und zwar als Maßstab. Provinz ist das Gegenteil davon, und das ist durchaus wertend gemeint. 
(Foto oben: documenta 2012 in Kassel) Die neuen Chancen der Provinz // Viele kleine Städte haben die perfekte hardware, aber sie wissen es nicht weiterlesen

Quinquennale Analoge Stadt Leben in die Provinz!

Ein Projekt für Arnstadt und die Europäische Stadt 2019 / 24 / 29 ff

„Nur der Stadtbürger ist Staatsbürger“
Alexander Mitscherlich / Die Unwirtlichkeit unserer Städte


Gliederung:
Die Idee:
Die Leerstände der Stadt als Bühne eines internationalen Dialogs zwischen Kunst, städtischem Raum, Bürgern und Besuchern
Das Problem:
Viele Kleinstädte stagnieren – warum?
Der Musterfall:
Arnstadt in Thüringen
Die Perspektive:
Soft gentrification als (Teil von) Wirtschaftspolitik
Das Projekt:
Die Analoge Stadt – Kristallisationskeim für eine lebendige Stadt
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