The Zionist Tango – Step Left, Step Right

Gideon Levy, Mitherausgeber und Autor von Haaretz in Tel Aviv, zu Gast bei The Real News Network aus Baltimore, einer alternativen, leserbasierten journalistischen Plattform, die überwiegend Videos veröffentlicht. 

Das ist die redigierte Übersetzung aus dem Englischen einer automatisch erzeugten Mitschrift von youtube. Ich habe mich um eine möglichst sinngenaue Übertragung bemüht, jedoch ist der Text ist nicht wortwörtlich, da Gideon Levi frei sprach und immer wieder Sätze nicht zu Ende führte. Korrekturen nehme ich gerne entgegen.

Das Original-Video ist hier zu finden:
https://youtu.be/JQS-_9K5-Dk.
Es handelt sich um eine Aufzeichnung vom 4. März 2018:

–––––––––––––––––––

(Applaus)
Danke, Grant, ich habe mich gefragt, von wem Sie sprechen? Kann ich hier bleiben und nicht wieder nach Hause zurückkehren? 🙂

Es ist mein drittes Mal hier mit diesen wunderbaren Leuten und ein drittes Mal fühle ich mich so sehr zu Hause. Ich kenne so viele Gesichter! Ihr werdet alle jünger, ich werde immer älter. Ihr werdet alle energiegeladener und hingebungsvoller, und ich werde immer verzweifelter. 

Aber es stellt mich auch vor eine Herausforderung. Schon beim letzten Mal hatte ich die Sorge, dass ich mich wiederholen werde, denn am Ende des Tages bin ich der Sänger eines Liedes, und ihr habt es schon gehört. 

Aber die Organisatoren waren dieses Mal raffiniert und haben meiner Rede einen sehr seltsamen Titel gegeben, der es mir nicht ermöglicht, mein Lied zu singen. Ich muss mich an ein neues Lied anpassen, also tue ich das.

Ich bin wirklich sehr dankbar für all die wunderbaren Menschen, die mich hierher gebracht haben und die meinen Partner gefangen genommen haben, dieser Tag war so interessant für uns, so bereichernd. Im Hebräischen haben wir diesen Ausdruck: 

Wir kamen um zu stärken, und wir wurden gestärkt. Das ist es, was ich nach einer Konferenz wie dieser fühle. 

Vielleicht haltet ihr den Schlüssel für jede Art von Veränderung, für jede Art von Hoffnung in der Hand? Denn wie ich später versuchen werde zu erklären, ist die Hoffnung auf Veränderung in der israelischen Gesellschaft so begrenzt, dass sie nicht existiert. Auch wenn die Vereinigten Staaten noch so wichtig sind, so entscheidend sind, können Leute wie Sie wirklich den Unterschied machen, Leute wie Sie können wirklich ein GameChanger sein. Das meine ich ernst.

Noch nie zuvor haben Israel und die Vereinigten Staaten so sehr die gleichen Werte geteilt. Der einzige Ort auf der Welt, an dem Donald Trump geliebt und bewundert wird, ist Israel. Der einzige Ort, an dem Benjamin Netanjahu geliebt und bewundert wird, sind die Vereinigten Staaten. Wenn das keine gemeinsamen Werte sind, was sind dann gemeinsame Werte?

Einige meiner besten Ex-Freunde sind auf dem Weg zur AIPAC-Konferenz, die am Wochenende beginnen wird. Politiker und Journalisten besuchen diese, wie ich es nenne, jährlichen Konferenz der Drogenhändler, auf der sie diskutieren werden, wie viele mehr Drogen an den israelischen besatzungssüchtigen Staat sie schicken werden, wie viel mehr Freundschaft sie ausdrücken werden und wie viel mehr Geld und Waffen sie liefern werden. 

Und ich – als Israeli – kann Ihnen sagen, dass wir in den Vereinigten Staaten keinen größeren Feind haben als die jüdische Lobby.

Wir haben keinen größeren Feind für Gerechtigkeit, Frieden und Gleichheit als diejenigen, die glauben, dass man ein Freund des Drogensüchtigen ist, wenn man ihn mit mehr Drogen versorgt, dass man sein Freund ist, wenn man ihn unterstützt. wenn man ihn blind und automatisch unterstützt, was auch immer er tut, dann ist man ein Freund.

Nein, das sind keine Freunde, das sind Feinde, und ich kann euch nicht sagen, wie glücklich und stolz ich bin, heute hier zu sein und nicht dort morgen. Danke! 

Der Titel meines Vortrags geht über den Zionismus, und Zionismus ist eine der beiden Religionen Israels. Die zweite Religion, wie jede Religion, die man nicht in Frage stellen kann, ist offensichtlich die Religion der Sicherheit. Jeder, der zwischen Zionismus und Sicherheit es wagt, irgendeine Art von Fragezeichen zu setzen, wird sofort als Verräter angesehen. Es ist unmöglich, zu beschreiben, was es bedeutet, wenn du sagst, dass du ein paar Fragen zum Zionismus hast!

Stellt euch vor, ihr stellt die andere Religion in Frage, indem ihr behauptet, dass die israelischen IDF, die israelischen Verteidigungsstreitkräfte, NICHT die moralischste Armee der Welt ist, sondern nur, sagen wir mal, die zweitmoralischste Armee der Welt. 

Wie kannst du es wagen?!

Wir haben diese Religion mit der Milch unserer Mütter zu uns genommen, auch wenn meine Mutter, wie ich denke, keine Zionistin war. Es ist sehr schwer von außen zu verstehen, wie diese Ideologie Teil unserer DNA wurde, weil sie zu etwas Selbstverständlichem wurde und es keinen Raum für Fragezeichen gibt.

Ich weiß es von mir selbst wie ich aufgewachsen bin, ich weiß, was ich über die sehr, sehr wenigen dachte, die behaupteten, sie seien keine Zionisten oder, Gott bewahre, sogar Antizionisten! Sie waren der Satan, obwohl sie Juden und Israelis waren. 

Ich kann mich an kein einziges Beispiel auf der Welt erinnern, bei dem eine Ideologie so totalitär ist, so heilig ist, dass man kein Recht hat, irgendeine Art von Zweifel zu äußern, nicht über die Vergangenheit, nicht über die Zukunft, nicht über die Gegenwart, nichts.

Es ist unglaublich, in einem Staat zu leben, in dem du, wenn du erklärst, dass du diese Ideologie nicht akzeptierst, nicht mehr Teil dieses Ortes bist. Du bist nicht mehr Teil der Gesellschaft, du hast dort keinen Platz! Geh nach Gaza, geh nach Damaskus, bleib nicht hier!

Das führt mich zum Titel, denn wenn es um Zionismus und dessen Freunde geht, müssen wir der Realität ins Auge sehen. In Sachen Zionismus gibt es in Israel keinen Unterschied zwischen links und rechts, denn wenn es um die Besatzung geht, die ja ein wesentlicher Bestandteil des Zionismus ist, gibt es keinen bedeutenden Unterschied zwischen links und rechts in Israel, und wenn ich links und rechts meine, dann meine ich die so genannte zionistische linke Arbeiterschaft, sowie die Rechten.

Unterschied besteht nur in der Rhetorik, wie jene einiger meiner israelischen Freunde, die bereits einige Champagnerflaschen gekauft haben und bereit sind, sie zu öffnen, wenn Benjamin Netanjahu gestürzt wird oder sogar ins Gefängnis kommt, und sie werden feiern, wie Israel aus der Dunkelheit ins Licht kommt, wie Freiheit und Frieden vor der Türe stehen, weil wir den Tyrannen, den rechten Flügel der Faschisten, losgeworden sind.

Wie immer habe ich schlechte Nachrichten für euch, denn am Ende des Tages, wenn man die reale Politik und die Taten beurteilt, dann bieten die Arbeiterpartei und die Linken nur sympathische Rhetorik zwischen all ihren Sünden. 

Sünden wie meiner, der ich vier Jahre lang für Schimon Peres gearbeitet habe, der nicht aufgehört hat, über ein Ende der Besatzung zu reden, der Besatzung beenden zu wollen, er hörte nicht auf, darüber zu reden, dass es nicht demokratisch und nicht gerecht sei, dass ein ein Volk ein anderes regiert – und andere schöne schöne Ideen, die Benjamin Netanjahu und diese Rechten nie gesagt hätten.

Aber am Ende des Tages ist der Nobelpreisträger Shimon Peres der Gründervater des Siedlungsprojekts! So was haben wir von dieser netten Rhetorik, die nur ein schönes Gesicht von Israel zeigen will und genau die gleichen Verbrechen begeht?

Also bin ich nicht hier, um Optimismus zu verbreiten, wie Sie mich ja schon kennen. Wenn es um das Grundlegende geht, ist Israel wirklich vereint.

Ich erinnere mich noch an die Tage, in denen der Witz war, dass drei Israelis die gleiche Meinung haben, sorry ich habe es verdorben, dass zwei Israelis drei Meinungen haben. Heute teilen drei Israelis nur eine Ansicht, pro Zionismus und pro Besatzung.

Wie Sie vielleicht wissen, ist das Thema Besatzung in Israel nicht existent. 

Niemand spricht darüber, niemand diskutiert darüber, niemand ist besorgt über die Besatzung, es ist wie der Regen, wie die Sonne, „Höhere Gewalt“, manche mögen sie, manche mögen sie weniger, aber niemand denkt, dass irgendetwas dagegen getan werden kann. Es stört uns nicht so sehr, das ist die Wahrheit, es ist nur eine halbe Stunde von unseren Häusern entfernt, aber wer hört davon und wer kümmert sich darum?

Aber die Verbrechen sind alltäglich, wirklich alltäglich. Die Medien berichten kaum darüber, und wenn sie darüber berichten, dann immer nach dem zionistischen Narrativ: Ein Terrorist von 12 Jahren, ein 14-jähriges Mädchen mit einer Schere in der Hand, beides eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel, ein Mädchen, das einen Soldaten ohrfeigt, als jemand, die lebenslange Haft verdient hat, oder ein Mädchen, das zuschauen musste, wie ihrem Cousin in den Kopf geschossen wurde, 50 Meter von ihrem Haus entfernt – und nun behauptet die israelische Armee, dass dies alles erfunden wurde.

Die israelische Propaganda hat ihre Scham verloren. Sie wagen es zu behaupten, dass dieses Kind, Muhammad Amimi, den ich ein paar Tage nach seiner Verletzung getroffen habe und der die Hälfte seines Gehirns verloren hat, dass diese Kind seine Verletzungen erfunden habe.

Israel muss wirklich verzweifelt sein, wenn es ein solches Niveau von Propaganda braucht, wenn es so tief sinkt, zu leugnen, einem 15-jährigen Kind in den Kopf geschossen zu haben und zu behaupten, er sei vom Fahrrad gefallen.

Dann wissen wir, dass die Dinge noch schlimmer werden, vielleicht ist es eine Hoffnung auf einen Neuanfang, aber im Moment ist das alles auf dem Tiefpunkt. Und alle lassen das an sich vorbeigehen , als ob nichts geschehen wäre, keine Fragezeichen, sehr wenige moralische Zweifel, wenn überhaupt, ein Leben in Verleugnung wie nie zuvor.

Ich kann mir keine Gesellschaft vorstellen, die in einer solchen Verleugnung gelebt wird wie in der israelischen Gesellschaft, und auch hier sind Linke und Rechte eingeschlossen – abgesehen von den sehr engagierten Aktivisten der extremen Linken, an die wir uns erinnern sollten, aber sie sind zahlenmäßig sehr klein und völlig delegitimiert.

Wenn ich also von links spreche, meine ich die Arbeiterpartei und das neue Versprechen der israelischen Politik, den vielleicht nächsten Premierministerin Yair Lapid und all die anderen, die in vielerlei Hinsicht schlimmer sind als die Rechten, weil sie sich so gut fühlen, weil sie so sicher sind, dass sie so menschlich und universell und moralisch sind, während die Rechten zumindest nicht vertuschen, was sie sagen: Ja, wir sind faschistisch, was ist daran falsch?

Wir sind Juden und wir haben das Recht, faschistisch zu sein, weil wir das auserwählte Volk sind, wir haben das Recht und niemand wird uns sagen, was wir zu tun haben

Wenn es um die „linke Mitte“ geht – ich kann es kaum aussprechen, „linke Mitte“, was haben diese Leute mit „links“ zu tun? – wenn es also um die linke Mitte geht, hat man es mit einer seltenen Kombination zu tun, bei der man sich so gut fühlt, weil man nicht zu den Faschisten gehört. 

Nein, sie sind kein Faschisten, sie sind keine nationalistischen Rassisten, sie sind Liberale – aber die Besatzung muss weitergehen, das Kind – Ahed Tamimi – muss für immer im Knast bleiben, die Verbrechen müssen weiterhin begangen werden. 

Weil wir keine andere Wahl haben.

Das bringt mich zu den Werten, die ich als den Kern der israelischen Gesellschaft ansehe. Heutzutage gibt es drei oder vier Wertesysteme, die meiner Meinung nach alles erklären.

Der erste, sehr tief verwurzelte Wert, seien wir ehrlich, ist der Wert, dass wir das auserwähltes Volk sind, die Säkularen und die Religiösen behaupten das und selbst wenn sie es nicht zugeben, dann fühlen sie so. 

Die Umsetzung ist sehr einfach, denn wenn wir das auserwählte Volk sind, wer seid ihr, dass ihr uns sagt, was wir tun sollen? Wer ist die internationale Gemeinschaft, die Israel sagen will, was es tun soll?

Internationales Recht, welch‘ wunderbare Sache, es gilt für jeden anderen Staat, nur nicht für Israel, denn wir sind das auserwählte Volk! Warum versteht ihr das nicht? 

88% der asylsuchenden Ertrier werden in Europa als sind als Flüchtlinge anerkannt, in Israel sind es weniger als 1%, warum? Weil wir ein besonderer Fall sind, erwarten Sie nicht, dass wir 40.000 Asylsuchende aufnehmen, wie können Sie das von uns erwarten? Wir können das nicht, denn wir sind das auserwählte Volk. Wir sind das auserwählte Volk, und wir müssen das nicht beweisen.

Der zweite Wert ist der, das wir die Opfer sind, die größten Opfer, und nicht nur die größten Opfer, sondern die einzigen Opfer!

Ich kenne viele Besatzungen, die länger dauerten als die israelische Besatzung, vielleicht auch welche, die brutaler waren als die israelische Besatzung – auch wenn das immer schwieriger wird. 

Aber ich kann mich an keine einzige Besatzung erinnern, bei der sich der Besatzer als Opfer dargestellt hätte! Nicht nur als Opfer, sondern als das einzige Opfer, das lebt, um hier die verstorbene Golda Meir zu zitieren, die ich auch das letzte Mal zitiert habe, ich weiß, aber es ist so unvergesslich, dass ich es wieder verwenden muss:

Sie sagte einmal, dass wir den Arabern „niemals verzeihen werden, dass sie uns gezwungen haben, ihre Kinder zu töten.“

Wir sind die Opfer! Wir sind gezwungen, die Kinder zu töten, wir Armen! Wir sind das einzige Opfer in der Geschichte, das gibt uns das Recht zu tun, was immer wir wollen. Niemand wird uns sagen, was wir zu tun haben. Wir sind die einzigen Opfer der Geschichte.

Da ist ein dritter, sehr tief verwurzelten Wert. Es ist der tiefe Glaube, den jeder Israeli leugnen wird (aber wenn man unter der Haut fast aller Israelis kratzt, wird man ihn finden): 

Die Überzeugung, dass die Palästinenser nicht sind wie wir, dass sie keine Menschen wie wir sind, dass sie ihre Kinder nicht lieben wie wir, dass sie das Leben nicht lieben wie wir. Sie wurden geboren, um zu töten, sie sind grausam, sie sind Sadisten, sie haben keine Werte, keine Manieren. Schaut, wie sie uns töten! 

Das ist sehr sehr tief in der israelischen Gesellschaft verwurzelt. Vielleicht ist das der Schlüssel, denn so lange das so weitergeht, wird sich nichts bewegen. Solange die meisten Israelis die Palästinenser nicht als gleichwertige Menschen wahrnehmen, solange die Israeli glauben, dass wir so viel weiter entwickelt sind als sie, dass wir so viel menschlicher sind als sie, solange werden alle unsere Träume niemals wahr werden.

Wir haben eine Gesellschaft mit einer tiefen Überzeugung von ihrer Gerechtigkeit und mit nur sehr wenigen Fragezeichen. Jeder, der es wagt, ein Fragezeichen zu setzen, wird sofort auf sehr systematische Weise ausradiert und vernichtet. Es ist unglaublich, wie diese Maschinerie in Israel funktioniert! 

Wir sprechen hier darüber, wie effizient die jüdische Lobby in Amerika ist, schauen Sie sich die sogenannte jüdische Lobby in Israel an: Stichwort „Breaking the Silence“.

Jahrelang haben wir von dem Tag geträumt, an dem die Soldaten aufstehen und die Wahrheit sagen – nicht Gideon Levi, der Lügner, der Verräter, der uns alle möglichen Geschichten über die israelischen Verbrechen erzählt, sondern die Soldaten, die diese Verbrechen begangen haben, und die bezeugen, was sie getan haben.

Und dann geschah es: Über 1.000 Zeugenaussagen von Soldaten, die in einer sehr mutigen Art und Weise aussagten über das, was sie im Laufe der Jahre in den besetzten Gebieten getan haben. 

In jeder gesunden Gesellschaft hätte das ein Erdbeben erzeugt, es waren unsere Söhne!

Und was geschah? Nichts!

„Breaking the Silence“ war durch das Establishment sofort delegitimiert worden, in typischer Zusammenarbeit mit den israelischen Medien. Heute, das muss ich leider sagen, ist „Breaking the Silence“ kaputt, zerstört.

Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie die israelische Gesellschaft, insbesonders in den letzten Jahren, die klare Absicht verfolgt, jede Art von Kritik von außen und von innen zu unterdrücken. Das geschieht durch die Gesetzgebung, durch Kampagnen, durch die Medien, und es ist erst der Anfang.

Diesbezüglich, das muss ich sagen, gibt es einen kleinen Unterschied zwischen der sogenannten Linken und der Rechten in Israel, denn die israelische Linke hat zumindest ein gewisses Engagement – für eine Demokratie für die Juden.

Wie Sie vielleicht wissen, ist Israel der einzige Ort auf der Erde mit drei Regimen. wir haben drei Regime, eines ist eine sogenannte liberale Demokratie für jüdische Bürger, die jetzt viele Risse hat, aber sie funktioniert noch.

Ich habe totale Freiheit in Israel, das muss hier erwähnt werden, ich schreibe was ich will, ich trete im Fernsehen auf. Ich kann nicht behaupten, dass mir jemand den Mund verbietet – außer die Leute auf der Straße, die mich nicht sehen wollen, die mich anspucken oder mich bedrohen.

Aber am Ende des Tages ist dies eine Freiheit, die nicht selbstverständlich ist und die vielleicht nicht mehr lange anhalten wird, aber diese Freiheit ist gegeben. 

Das ist also das erste Regime.

Dann kommt das zweite Regime, ein sehr diskriminierendes Regime gegenüber den israelischen Palästinensern, den Palästinensern von 1948, den israelischen Bürgern, die Palästinenser sind, 20% der Bevölkerung. Sie werden in jedem erdenklichen Aspekt des täglichen Lebens diskriminiert, auch wenn sie formal gleiche Bürgerrechte haben, sie wählen dürfen, gewählt werden können. 

Das ist das zweite Regime.

Das dritte Regime schließlich, das Israel versteckt, ist die militärische Besatzung, das Militärregime in den besetzten Gebieten, und hier erlaube ich mir, ohne Zweifel zu sagen, dass dies heute eine der brutalsten und grausamten Tyrannei auf Erden ist, nicht weniger als das. Ich wiederhole: Die militärische Besatzung der besetzten Gebiete ist heute eine der brutalsten und grausamten Tyranneien auf Erden.

Wie kann man es wagen, Israel als die „einzige Demokratie“ im Nahen Osten zu bezeichnen, wenn in seinem Hinterhof eine der grausamsten Regime der Welt regiert, wie kann man das tun? Kann man nur halb schwanger sein? Kann man nur halb demokratisch sein? Kann man vorne eine Demokratie und im Hinterhof eine Tyrannei sein?

Und hier kommt die nächste Lüge, die wir bekämpfen sollten, dass alles nur vorübergehend sei. Es nie geplant war, nur vorübergehend zu sein, es ist nicht vorübergehend und es wird nicht vorübergehend sein, wenn es von Israel abhängt. Es gab nie einen israelischen Staatsmann in einer wichtigen und einflussreichen Position, auch keinen Premierminister, der wirklich die Absicht hatte, die Besatzung zu beenden, keiner von ihnen.

Einigen von ihnen ging es darum, Zeit gewinnen, um die Besatzung zu stärken, andere wollten Zeit gewinnen, indem sie alle Arten von Interimsabkommen abschließen, andere wollten von der Welt als Menschen des Friedens wahrgenommen und umarmt werden, aber keiner von ihnen hatte die Absicht, die Besatzung zu beenden.

Woher soll ich das weiß? Ich weiß nicht, was in ihren Herzen ist, ich weiß nur eines: Israel hat nie aufgehört, Siedlungen zu bauen und jeder, der ein Haus in den besetzten Gebieten baut, hat nicht die geringste Absicht, die Besatzung zu beenden.

Diese Bluffs wollten sie eiskalt durchziehen.

Ich komme heute zu Ihnen, da ich sehr, sehr skeptisch bin gegenüber Veränderungen innerhalb der israelischen Gesellschaft, denn das Leben in Israel ist viel zu gut und die Gehirnwäsche-System ist viel zu effizient, um einen Dialog mit der Mehrheit der Israeli zu führen. Das ist heute sogar für mich eine fast unmögliche Aufgabe.

Immer wieder sind Katrin und ich in Situationen, wenn wir Israelis treffen, gute Leute, die sich überall freiwillig melden würden, aber wenn man anfängt mit ihnen über die Besatzung zu reden, dann möchte man sich nach 2 Minuten die Haare raufen.

Ich meine, man weiß nicht, was man tun soll, man weiß nicht, wo man anfangen soll, die Gehirnwäsche ist so tief und die Verleugnung und die Ignoranz sind so verfestigt, sie wissen nichts! 

Jeder in diesem Saal weiß so viel mehr über die Besatzung als jeder durchschnittliche Israeli, einschließlich derer, die dort in der Armee dienen. Sie wissen nichts, und was sie wissen ist falsch.

Wie soll man eine Veränderung innerhalb dieser Gesellschaft zu erwarten, wenn die Restaurants voll sind, wenn das Leben schön ist, wenn es kaum Terror in Israel gibt, noch nicht mal jenen, den sie Terror nennen, die explodierenden Busse und all die Dinge, die einzigen gewalttätigen Angriffe finden jetzt hauptsächlich in den besetzten Gebieten statt, nicht in Tel Aviv. Tel Aviv lebt ein sehr sehr friedliches und sicheres Leben.

Wie kann man von dieser Gesellschaft erwarten, dass sie aufsteht und sagt: Stop, no more, was für einen Anreiz sollte es dafür geben? 

So lange diese Zustände so sind, die Israeli von der Besatzung profitieren und nichts für die Besatzung zahlen, solange kein Israeli das Gefühl hat, dass die Besatzung etwas ist, worüber er nachdenken sollte, warum sollte es ihn stören?

Keiner wird bestraft, keiner zahlt dafür, und selbst wenn man zahlt, stellt man die Verbindung nicht her. Selbst in den Jahre der zweiten Intifada, die wirklich sehr blutig waren, mit explodierenden Bussen und Selbstmordattentätern, hat niemand einen Zusammenhang mit der Besatzung hergestellt, und wenn man es wagt, diese Verbindung herzustellen, wird man sofort als Verräter abgestempelt.

Sie sprengen Busse, weil sie zum Töten geboren wurden, das hat nichts mit der Besatzung zu tun. Es gab es keinen Fortschritt oder Wandel, auch nicht nach all der Gewalt.

Wenn das Leben also so gut ist, gibt es wirklich keinen Grund für eine Veränderung. Daher sind die Hoffnungen auf Veränderung innerhalb der israelischen Gesellschaft wirklich sehr minimal. Mit allem Respekt für die Gruppen, die kämpfen, die nicht aufgeben, die jeden Freitag in einem anderen Dorf gegen den Zaun und gegen die Besatzung demonstrieren, gegen all diese Dinge, wunderbare Menschen, darunter viele junge Menschen, sie sind letztendlich nur eine kleine delegitimierte Gruppe.

Meine einzige Hoffnung sind Leute wie Sie, das ist im Moment die einzige Hoffnung. Wir hören hier heute den ganzen Tag, von sehr sachkundigen Referenten, Vorträge und Zahlen, die sogar mich deprimieren. Die jüdische Lobby ist so stark! Seien wir realisitisch: Sie verlegen jetzt die amerikanische Botschaft nach Jerusalem, ein großer Sieg für Israel, ein großer Sieg für die Besatzung.

Was bedeutet das letztendlich? Es bedeutet, dass die Vereinigten Staaten offiziell den Tod der Zweistaatenlösung erklärt haben. Es bedeutet, dass die Vereinigten Staaten offiziell erklärt haben, was wir seit vielen, vielen Jahren wissen: Dass die Vereinigten Staaten kein fairer Vermittler sind und sein können. 

Es hat klargestellt, dass die Vereinigten Staaten offiziell der Freund der Besatzung und nur der Besatzung sind. Er erklärte offiziell, dass die Beerdigung der Zwei-Staaten-Lösung und die Beerdigung von Amerika als Vermittler im Nahen Osten bereits seit langem geplant war.

Ich sehe es als eine Errungenschaft. Ein Ende der Maskerade und ein Ende der Lippenbekenntnisse, und ich bin sehr dankbar, sie werden sich vielleicht wundern, gegenüber Donald Trump, der uns dorthin gebracht hat. 

Nur eine Person tut mir leid. Ich habe Mitleid mit einer Person, wenn auch nicht allzu sehr, ich habe wirklich Mitleid, Mitgefühl und Trauer für den Botschafter David Friedman, der nun aus dieser schönen Villa in Herzlia am Meer nach Jerusalem umziehen muss, und glauben Sie mir, er hat es verdient! 
[Gelächter und Beifall]

Der Botschafter der Siedlungen, im Kostüm des amerikanischen Botschafters!

Noch nicht mal der Botschafter aller Siedlungsprojekte, sondern nur der extremen Siedlungen, wenn es denn einen Unterschied gibt, muss jetzt nach Jerusalem umziehen.

Was ist das für ein großes Geschenk für uns alle, als ihn inmitten der Orthodoxen zu sehen, inmitten der Spannungen, inmitten der Grenzpolizei an jeder Ecke, mit all der Gewalt und Aufmerksamkeit und der Besatzung auf Schritt und Tritt in Jerusalem, was ist es für ein größeres Geschenk für uns, als ihn dort zu sehen, anstatt am Strand von Herzlia?

Wir sollten also nicht aufgeben.

Wenn ich darf, möchte ich Ihnen, in aller Bescheidenheit, sagen, was wir tun können, meine Ideen vorstellen. Ich weiß zwar kaum, was ich mir selbst sagen soll, was ich tun soll, aber dennoch sehe ich im Moment drei Hauptpunkte:

Einer davon ist der Kampf gegen diesen unglaublichen Prozess der Kriminalisierung von Kritik an Israel, das muss aufhören und wir sollten nicht aufgeben. Wie wir heute gehört haben, geht es nicht mehr nur um BDS, es geht um jede Kritik an Israel, es geht um die Tatsache, dass jeder, der seine Stimme für Gerechtigkeit erhebt, kriminalisiert wird. 

Es ist in erster Linie ein innenpolitisches Problem. Was für eine Gesellschaft ist das, die jene kriminalisiert, die sich für Gerechtigkeit einsetzen – und diejenigen lobt, die Verbrechen gegen das internationale Recht begehen!? 

Das sollte eines unsrer Ziele sein, nicht aufzugeben.

Wenn sie euch als Antisemiten bezeichnen, hier (in Amerika) geht das ja noch, aber in Europa sind sind sofort alle gelähmt, sie sind in Europa sofort gelähmt, und das nutzen sie auf eine sehr manipulative Art und Weise aus! 

Lassen wir das nicht zu. Ihr solltet stolz darauf sein, eure Stimme zu erheben! 

BDS ist im Moment das einzige Spiel in der Stadt!

[Beifall]

BDS ist ein legitimes Instrument. Auch Israel nutzt es: es ruft die Welt auf, Hamas zu boykottieren, den Iran zu boykottieren.

Sie haben das volle Recht, keine Produkte aus Ausbeuterbetrieben in Südasien zu kaufen. Sie haben das volle Recht, keine Produkte in einem Laden zu kaufen, der auch Fleisch verkauft. Sie haben das uneingeschränkte Recht, keine Produkte aus einem Land oder einer Region zu kaufen, von dem/der Sie glauben, dass dort etwas nicht stimmt.

Soll man sich dafür entschuldigen, etwas zu boykottieren, das es wert ist, boykottiert zu werden? 

Man kann behaupten, dass BDS noch keine wirklichen wirtschaftlichen Erfolge erreicht hat, ja, vielleicht. 

Aber wir haben einen Beweis, dass BDS das richtige ist.

Schaut euch an, wie Israel wegen BDS nervös wird. Und wenn sie deswegen so nervös werden, sagt uns das, dass es der richtige Weg ist.

[Applaus]

Wenn ihr mich nächstes Jahr oder in zwei Jahren wieder einladet, bin ich nicht sicher, ob ich diese Sätze nochmal sagen sagen kann, weil diese Sätze sehr bald gegen das israelische Gesetz verstoßen werden, das es verbietet, Menschen zum Boykott Israels aufzurufen.

Aber fordern wir sie heraus. 

Die zweite Chance, die ich insbesonders in diesem Land für euch sehe, ist es, zu versuchen, die Lüge zu zerreißen, dass Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten sei.

Das benötigen wir dringend!

Es geht um die Wahrheit es geht darum, den Menschen die Wahrheit zu sagen, und wie ich schon sagte: Ein Staat, der eine der brutalsten Tyranneien auf der Welt ist, kann nicht als Demokratie bezeichnet werden! Punkt!

Und die letzte Lüge, die man bekämpfen muss, oder die ich euch empfehle möchte zu bekämpfen, ist die Lüge, dass dies alles nur vorübergehend sei. Nach 50 Jahren der Besatzung. Was heißt hier 50 Jahre! 

Nach 100 Jahren der Besatzung! Oder nach 70 Jahren Besatzung. Weil 48 niemals endete. Wir sollten uns daran erinnern, dass es dieselbe Politik ist, dieselben Methoden, dieselben Lügen, dieselbe Gehirnwäsche, dieselben Erklärungen und dieselben Ausreden. Und solange das so weitergeht, kann niemand behaupten, dass dies nur vorübergehend sei. 

Die Besatzung wird bleiben, und wir sollten den Bluff durchschauen und sagen, dass dieses koloniale Projekt nicht die Absicht hat, zu Ende zu gehe. Auch wenn es hier und da einige Staatsmänner oder Politiker gibt, die das behaupten. Nein, sie hatten nie die Absicht, es zu beenden, und sie haben sie bis heute nicht.

Da ich jetzt Null-Null-Null in meinem Timer sehe – ist es eine Wertschätzung für meine Rede, diese drei Nullen? – in jedem Fall: Mein letzter Satz wäre, was die Lösung sein sollte. Es wurde hier schon gesagt und deshalb gehe ich nicht näher darauf ein, aber ich fühle mich einfach verpflichtet zu sagen, dass ich viele Jahre lang ein großer Befürworter der Zweistaatenlösung war, dass ich die Zweistaatenlösung als eine vernünftige und erreichbare Lösung betrachtet habe.

Die totale Gerechtigkeit wird in diesem Teil der Welt nie erreicht werden wird, aber ich hielt dies für eine relativ gerechte Lösung, auch wenn es eine Menge Ungerechtigkeit gibt, wenn nur 22% (des Landes) den Palästinenser und 78% den Juden zugesprochen wird.

Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen mit der sehr dramatischen Tatsache vertraut sind, dass schon heute zwischen dem Jordan und unmittelbar am Mittelmeer genau 6 Millionen Palästinenser und 6 Millionen Juden leben, wenn Sie zweieinhalb Millionen im Westjordanland, zwei im Gazastreifen und zwei in Israel zählt, kommt man auf über 6 Millionen Palästinenser und 6 Millionen Juden, grob geschätzt. Vielleicht liege ich mit einigen Zahlen falsch, aber es ist ungefähr Halbe/Halbe. 

Wenn also jemand meint, ein Volk könne ein anderes Volk dominieren, dann müssen wir zurückkommen zum Zionismus und zum Titel dieses Vortrags: 

Die Grundlage des Zionismus ist, dass es ein Volk gibt, das einem anderen gegenüber privilegiert ist, das ist der Kern und das kann nicht so weitergehen. Wenn es so weitergeht, gibt es nur einen Namen dafür: Nennen wir es Apartheid.

Ich schließe mich heute uneingeschränkt eurer Analyse an, von der ich eine Menge gelernt habe. Auch wenn es sich jetzt wie eine Utopie, auch wenn es sich jetzt wie etwas Undenkbares anhört, ist es Zeit für uns, den Diskurs zu ändern, es ist Zeit für uns, über gleiche Rechte zu sprechen. Über one person, one vote.

Fordern wir Israel heraus. Israel wird nein sagen, dann können wir Israel offiziell zu einem Apartheidstaat erklären. Es gibt keinen anderen Weg. Wer gleiche Rechte verweigert ist offiziell keine Demokratie. 

Das ist keine Frage des Standpunktes oder der Meinung. Das ist eine Tatsache, und Israel wird natürlich nein sagen.

Aber wir sollten nicht aufgeben, denn am Ende des Tages glaube ich wirklich, dass Palästinenser und Israelis und palästinensiche Juden zusammen leben können.

Wir haben es in der Vergangenheit versucht, wir versuchen es auch heute, in allen möglichen kleineren Rahmen. Wir können wirklich zusammen leben.

Glauben Sie mir, ich hätte lieber einen palästinensischen Premierminister als einen Yair Lapid oder Benjamin Netanjahu.
(Applaus)

Am Ende des Tages sollten wir uns also über unsere Hoffnung und unsere Vision im Klaren sein. Wir sollten verstehen, dass der Weg noch sehr, sehr lang ist, wir stehen erst am Anfang. 

Aber so unwahrscheinlich es ist, wahrscheinlich, zumindest für mich, gibt es eine Mechanismus, der mich aus dem Schlaf heraus sagen lässt: 

Zwei-Staaten-Lösung, Zwei-Staaten-Lösung!

Wohl wissend, dass sie nie zustande kommen wird, wohl wissend, dass niemand die siebenhunderttausend Siedler evakuieren wird, wohl wissend, dass das niemand vorhat, und wohl wissend, dass es das Grundproblem nicht lösen wird.

Wir haben also eine Vision, wir haben einige Ziele, aber es gibt noch so viel zu tun für Sie und für uns, also lassen Sie uns nicht noch mehr Zeit mit Reden verschwenden.

Vielen Dank!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert