Kategorie: Politik
Die Operette um Nord Stream 2
Wenn deutsche Medien sich einig sind, dass eine Gaspipeline eine Gefahr darstellt, weil das Gas nun nicht mehr durch die Ukraine zu uns kommt, die EU extra ihre Verordnungen ändert, um diese Pipeline zu verhindern, und es der deutschen Wirtschaft, die hier geschädigt wird, offenbar die Sprache verschlägt – dann lohnt es sich, genauer nachschauen, worum es hinter den Kulissen geht.
Hintergründe zu den russischen Pipelines, die gerne verschwiegen werden, Ausblicke auf eine irrlichternde Hegemonialmacht USA und Einblicke in deutsche Redaktionsstuben, auf die man lieber verzichtet hätte. Jan Kobel / Arnstadt, 25.12.2021
Die Vorgeschichte: wie kommen die Röhren in die Ostsee?
Wie die „2“ in Nord Stream 2 (NS2) andeutet, handelt es sich bei der Gaspipeline durch die Ostsee nicht um die erste dieser Art. Die erste Pipeline, Nord Stream 1, verläuft parallel zur aktuell umstrittenen NS2, wurde bereits im November 2011 eingeweiht und versorgt seitdem Europa mit 55 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr.
Mit 7,4 Mrd. Euro war NS1 eine der größten privaten Investitionen in die Energienetze Europas. Eigentümer dieser ersten Ostseepipeline ist die Nord Stream AG mit Sitz in der Schweiz. Dieses Unternehmen gehört zu 51% Gazprom, den Rest halten Wintershall, E.ON, Gasunie und Engie.

Die Idee, eine Gaspipeline kostenintensiv durch die Ostsee zu bauen, anstatt weitere Röhren durch Osteuropa, kam Ende der 90er Jahre auf. Mit der Neuordnung Europas strich Russland Polen und der Ukraine nach und nach die noch aus RGW-Zeiten stammenden Sonderkonditionen für Erdgaslieferungen, was diese nicht bereit waren hinzunehmen.
Die Operette um Nord Stream 2 weiterlesenDas Scheitern des Westens und die Fortführung der europäischen Aufklärung – in China
Was uns die Pandemie lehrt über die politische Kultur des Abendlandes, und warum nun China übernehmen wird – wirtschaftlich, politisch und moralisch.
von Jan Kobel, 14. 11.2021
Titel: Die Infografik der Johns-Hopkins-Universität vom November 2021 täuscht. Dort, wo es dunkel ist, wird zukünftig das Licht der Wissenschaft am hellsten scheinen.
Anfang 2020, als das alles losging, schrieben sich in den sozialen Medien einige die Finger wund, warum es zu ZERO COVID keine Alternative gäbe und warum die Idee, eine Pandemiekurve „flatten“ oder eine „Herdenimmunität“ abwarten zu wollen, reines Wunschdenken ist. Es waren Wissenschaftler wie Tomas Pueyo oder Konstantin Tavan, Journalisten wie Dirk Specht oder Christian Y. Schmidt.
Die wissenschaftlichen Stimmen aus dem fernen Osten, durch SARS-Pandemien erfahren und mit der Thematik vertraut, ließen sowieso keinen Zweifel aufkommen: Eine Pandemie kann man nicht kontrolliert ablaufen lassen, die Risiken sind nicht nur für tausende von Menschen eine tödliche Gefahr, sie sind auch gesellschaftlich unkalkulierbar.
Vor allem aber bedeutet das, was Europa und die USA seit März 2020 ignorant durchziehen, es darauf ankommen zu lassen, dass das Virus in Millionen von Menschen Billiarden von Möglichkeiten testen kann, erfolgreich zu mutieren und dadurch immer gefährlicher zu werden. Genau das wurde vorherhergesagt, und genau das erleben wir nun.
Das Scheitern des Westens und die Fortführung der europäischen Aufklärung – in China weiterlesen32 | 1938 | 0 – Die Synagogen in Thüringen
Titelbild: Der Standort der großen Synagoge des Architekten Richard Klepzig (1860 – nach 1923) in Gotha heute.

Altenburg
Arnstadt
Aschenhausen
Barchfeld
Berkach
Bibra
Bleicherode
Eisenach
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Erfurt
Gehaus
Geisa
Gera 1/2
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Heiligenstadt
Hildburghausen 1/2
Ilmenau
Meiningen
Mühlhausen
Nordhausen
Schleusingen
Schmalkalden
Schwarza
Sondershausen
Stadtlengsfeld
Suhl
Themar
Vacha
Walldorf
Sichtbar machen, was aus dem Blick geraten ist und Jahr für Jahr unsichtbarer wird, das ist das Ziel einer Ausstellung von Judith Rüber und Jan Kobel im Milchhof Arnstadt vom 24. September bis zum 14. November 2021. Ein Ausstellungsprojekt des Milchhof Arnstadt e.V. im Rahmen der und unterstützt von den ACHAVA Festspielen.
32 | 1938 | 0 – Die Synagogen in Thüringen weiterlesenHier will ich wohnen! Die Alte Schokofabrik ist eine Riesenchance für Greußen.

MDR Thüringen vom 29. Dezember 2020: Die ehemalige Schokoladenfabrik soll abgerissen werden, Bürgermeister René Hartnauer (SPD) „zeigt sich erleichtert, endlich gehe es auf der Brachfläche neben dem Bahnhof weiter“. Die Kosten liegen bei zwei Millionen Euro, 200.000 davon muss die Stadt selbst tragen. Den Rest trägt, einmal mehr und absurderweise, irgendein Förderprogramm der Thüringer Abriss-, äh Aufbaubank namens GRW, das dafür eigentlich nicht zugeschnitten ist:
https://www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Gemeinschaftsaufgabe-GRW

Der Bestand: Ein 12.000 Quadratmeter großes Gelände mit Gründerzeitarchitektur von unverwüstlicher Mauerwerksqualität, auch wenn die Dächer längst eingestürzt sind. Mehrere Ruinen. Direkt am Bahnhof, sich hofähnlich öffnend zur Stadt, mit reichlich Aussenfläche. Ein Objekt, aus dem sie in Berlin und Hamburg sofort einen kulturellen und wirtschaftlichen Hotspot machen würden, bis die Preussischen Kappen glühen. Hier aber sind wir in Greußen, in Thüringen, in der Provinz nördlich von Erfurt. Da ist das nicht so einfach.
Hier will ich wohnen! Die Alte Schokofabrik ist eine Riesenchance für Greußen. weiterlesenMehr Schande als Fleck? Die Verachtung historischer Bausubstanz und die Ideologie der Moderne in Deutschland
Eine Analyse mit Handlungsperspektive
(Titelbild: Kammgarnspinnerei Wernshausen, errichtet 1836-1920, Abriss 2009, © TLDA)
Wir bauen eine neue Gesellschaft, aber diese Gesellschaft darf nicht in die Gehäuse der alten kriechen.
Hans Sharoun, Stadtbaudirektor Berlin 1945/46
Verfasser: Jan Kobel, Judith Rüber, im Januar 2021
A_Abstract / Zusammenfassung und Nachweiszweck:
1) Von allen baulichen Zeugnissen, auf die Deutschland zurückblicken kann, ist ein Gebäudetypus am meisten von Zerstörung bedroht: die Industriearchitektur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Kein anderer Typus steht so oft leer und kein anderer Leerstand bedeutet so schnell Abriss.
Damit gehen nicht nur Jahr für Jahr wertvolle Architekturen und Denkmäler verloren, die von der Geschichte einer Industriekultur zeugen, die Deutschland bis heute prägt. Diese Abrisse sind auch in ökologischer Hinsicht unverantwortlich, da der Erhalt und die Wiederherstellung dieser Gebäude ein vielfaches nachhaltiger ist als ihr Abriss und eventuelle Neubauten. Schließlich sind diese Fabrikarchitekturen durch keinen Neubau zu übertreffen was ihren Erlebnis- und Nutzwert angeht für Wohnen, Handel, Kunst und Gewerbe.
2) Obwohl diese Erkenntnis nicht neu ist, Deutschland zahlreiche Beispiele erfolgreicher Umnutzungen von Industriekulturen vorweisen kann, ist der Abriss dieser Gebäude nicht gestoppt. Das liegt an zwei Gründen, wie diese Abhandlung nachweisen will:
Zum einen an einem gebrochenem Verhältnis der deutschen Baukultur zu ihrer eigenen Geschichte, die durch zwei politisch-moralische Zusammenbrüche im 20. Jahrhundert geprägt ist, die andere europäische Staaten so nicht erlebten. Dabei kommt der Ideologie und dem Absolutheitsanspruch der Moderne eine nicht unerhebliche Rolle zu: Schön und gut ist bis heute nur, was neu ist!
Zum anderen der ungebrochenen Bereitschaft des Bundes und der Länder, erhebliche Mittel für sog. „Brachenberäumungen“ zur Verfügung zu stellen. Das erscheint problematisch vor allem deshalb, weil diese Mittel ausgeschüttet werden völlig getrennt davon, inwiefern die durch diese Gelder ins Werk gesetzten Abrisse tatsächlich ihrem Anspruch, Flächen „wiederzubeleben“, gerecht werden. Wie gezeigt werden kann, sind diese Mittel nicht nur Voraussetzung für viele Abrissprojekte, sondern ihr Motor. Bund und Ländern kommt hier eine Verantwortung zu, die nur selten diskutiert wird.
3) Deshalb kann ein ernsthafter Versuch, dem deutschen Abrisswahn gegen (nicht nur, aber insbesondere) die unwiederbringlichen Industriearchitekturen unseres Landes entgegenzutreten, nur darin bestehen, die Fokussierung auf denkmalpflegerische Aspekte auszuweiten auch auf Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit, der gewerblichen Nutzungspotenziale und der positiven sozialen Folgeeffekte für Städte und Kommunen. Zugleich muss es gelingen, die Bundes- und Landesbehörden von der wirtschaftspolitischen und stadtplanerischen Schädlichkeit ihrer Vergabepolitik zu überzeugen. Eine Petition an den Deutschen Bundestag ist in Vorbereitung.
B_Argumentation & Fallbeispiele / Zur zerstörerischen Dialektik des Begriffes Schandfleck
Dass ungenutzte Gebäude mehr oder weniger dem Tode geweiht sind, ist auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Bei Kirchen, Schlössern und Burgen haben wir gelernt, dass man sie nicht abreißen darf, auch wenn sie über Jahrzehnte ungenutzt bleiben. Hier herrscht ein Tabu, und das ist gut so. Bei profanen Gebäuden und industriellen Bauten ist das noch anders. Insbesondere die ostdeutschen Zeugen der industriellen Umwälzungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die den Abrisswellen der BRD bis 1990 entzogen waren, verschwinden, sofern sie nicht neue Nutzungen gefunden haben, Jahr für Jahr zu Dutzenden. Die Verluste sind erheblich.
Mehr Schande als Fleck? Die Verachtung historischer Bausubstanz und die Ideologie der Moderne in Deutschland weiterlesenNationalismus oder Demokratie?

Plädoyer für eine andere Lesart ost- und westdeutscher Befindlichkeiten und Unverständigungen
© Jan Kobel
Die meisten Menschen verachten gerne. Je tiefer sie auf andere herabblicken können, desto höher fühlen sie sich selbst. Diese Verachtung gegen andere stärkt das eigenen Selbstbewußtsein. Dieser Wille, zu verachten, ist tief in der Menschenseele verankert.
Richard-Nikolaus Coudenhove-Kalergi, 1935
Manchmal verhält es mit kniffligen Problemen so, dass eine Lösung erst möglich wird, wenn man eine neue Perspektive einnimmt oder die Fragestellung umdreht. Vielleicht ist so ein Problem auch die Frage, die seit Jahren die deutsche Öffentlichkeit bewegt: Warum ticken die Menschen im Osten Deutschlands anders, als die in der alten BRD sozialisierten? Denn diese Frage unterstellt, dass die Wessis die Norm sind, und die Ossis die Abweichung.
Nationalismus oder Demokratie? weiterlesenDurchlauferhitzer für das Ende des Liberalismus: Donald Trump
Die meisten Menschen verachten gerne. Je tiefer sie auf andere herabblicken können, desto höher fühlen sie sich selbst. Diese Verachtung gegen andere stärkt das eigene Selbstbewusstsein. Richard Coudenhove-Kalergi, 1935
Irgendwie erinnert mich die Wahl Trumps, wenngleich unter anderen Vorzeichen, an das Jahr 1989, dem Jahr der politischen Wende in Europa: das scheinbar Unmögliche war Realität geworden. Damals war es der freiwillige Abgang der SU, der uns zeigte, wie wenig wir tatsächlich begriffen hatten – über das Innenleben des Warschauer Paktes und eines Sozialismus mit dem seltsam stolzen Attribut „real“.
Zugleich waren wir überzeugt: Ohne die Sowjetunion als mächtige wirtschaftspolitische Alternative zu einer US-geprägten Weltordnung, ohne diese „negative Klammer“ des Westens, wird auch dieser Westen und mit ihm die NATO und die EU zerfallen. Die zentrifugalen antagonistischen Kräfte der nie überwundenen Nationalismen werden wieder die Oberhand gewinnen, die Welt wird wieder „normal“.
Durchlauferhitzer für das Ende des Liberalismus: Donald Trump weiterlesenWarum Dresden?Peter Richter und Durs Grünbein über ihre Heimatstadt Dresden
Foto oben: Merkel mit Kopftuch. Soweit sind wir gekommen!
Weil sie hier konservativer als sonst wo sind? Weil die CDU und Justiz in Sachsen zu Teilen wenig Berührungsängste und Verständnis für Rechtextreme haben? Weil sie Jahrzehnte im „Tal der Ahnungslosen“ lebten? Weil die Leipziger schon immer weltoffener waren? Oder ein wilder Mix aus all diesem?
Keine Ahnung. Warum Dresden?Peter Richter und Durs Grünbein über ihre Heimatstadt Dresden weiterlesen
Proeuropäischer Separatismus? Karl-Markus Gauss über Briten, Schotten und Joschka Fischer
Neoliberalismus oder Untergang? Unter der Überschrift Der Hunger ist zurückgekehrt im Wiener Standard vom 02. Januar 2015 erweist sich Karl-Markus Gauss als eigenständiger Denker. So bedauert er, dass die Schotten nicht für ihre Unabhängigkeit stimmten, denn das wäre ein proeuropäisches Signal gewesen – gegen den britischen Anti-EU-Nationalismus, der, davon ist Gauss überzeugt, der EU nach einem Austritt Großbritanniens erhebliche Probleme machen wird. Für Gauss sind die eigentlichen Nationalisten die, die vor Nationalismus warnen, und umgekehrt Leute wie Alexis Tsipras vielleicht jene, die die Wege weisen zum Erhalt einer europäischen Einheit.